Der letzte Teil von „Einblicke in die Kulturwissenschaften“ dreht sich um das Zwillingspaar Ethik und Ästhetik, welches untrennbar miteinander verknüpft und dennoch voneinander getrennt ist.
Unter Ethik verstehen die Wörterbücher die Lehre vom sittlichen Handeln des Menschen. Der Mensch definierte Normen und Regeln, welche sich auf den Umgang mit anderen bezogen. Die Ethik machte das Zusammenleben und Menschsein möglich. Ethische Grundsätze, darunter kann beispielsweise die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ verstanden werden. Die allgemeinen Grundsätze der Menschenrechte bestehen aus 30 Artikeln und enthalten grundlegende, jedoch unverbindliche Empfehlungen über die Rechte, die jedem Menschen zustehen sollten. Beschlossen wurden diese am 10. Dezember 1948 in der Generalversammlung der Vereinten Nationen.
Ethik lehrt die betreffende Situation beurteilen zu können und das „ethisch (sittlich)“ richtige Handeln zu ermöglichen.
In den Augen von Aristoteles formte sich die Ethik der griechischen Antike aus den Elementen „allgemeiner Prinzipien, Gewohnheiten und sozialen Bindungen“. Der deutsche Philosoph Immanuel Kant sah in der Ethik die „praktische Vernunft“ verortet, welche sich aus der Freiheit zum sittlichen Tun herausbildete. Reinhard Kacianka, ein österreichischer Kulturwissenschafter, merkt an, dass durch die Definition von Kant die Ethik verwechselbar wird mit dem Begriff der Moral. Moral, als System von Tradition und Gesellschaftsformen, beruht auf sittlichen Grundsätzen und Normen, welche zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt das zwischenmenschliche Verhalten geregelt haben.
Für Kacianka ist Ethik mehr als Moral, „weil Ethik eine transhistorische Grundvoraussetzung menschlichen Handelns darstellt, Moral hingegen vom jeweiligen Zeitgeist (Stichwort: öffentliche Meinung) geprägt wird“. Ethos, also die von einem Bewusstwerden sittlicher Werte geprägte Gesinnung „ist [ein] zutiefst individuelles Empfinden, Moral [hingegen, ist ein] öffentlich auferlegter Sachzwang“. Jürgen Habermas, deutscher Soziologe und Philosoph, sieht die Ethik als Teil der Lebenswelt und die Moral als Teil eines Systems.
Ästhetik wird in den Lexika als die Wissenschaft vom Schönen und die Lehre des ästhetisch Belangvollen beschrieben. Sie ist nicht abschließend messbar oder definierbar, findet jedoch in einigen Regeln ihren Widerhall, so zum Beispiel im „Goldenen Schnitt“ der Gestaltungslehre. Seine Wurzeln hat der Begriff im griechischen Wort „aisthēsis“. Die kulturelle Wahrnehmung kontrolliert das Verhalten des Subjekts mit Anderen, so Kant, der darauf hinweist, dass es sich bei der Findung von neuen Regeln um eine kulturelle Leistung handelt.
Georg Hegel, ein deutscher Philosoph des 18. Jahrhunderts, sah in der Schönheit sowohl eine positive als auch eine negative Seite. So stellte die Kunstschönheit, die „wiedergeborene Schönheit“ des Geistes dar, die ihre Bedeutung jedoch in einer aufgeklärten Gesellschaft verloren hatte. Auf die heutige Zeit übertragen, lässt sich festhalten, dass Ästhetik dazu geeignet ist, das Wohlbefinden und die Zufriedenheit des Individuums zu erhöhen, indem sich der Mensch sein Leben und jeden Moment so angenehm wie möglich gestalten kann. Auf der anderen Seite formt der Konsumwahn und das unersättliche Streben nach mehr Erfolg, Schönheit und Glück ein Hamsterrad der käuflichen Selbstverwirklichung, so der Volkswirtschaftler Niko Paech in seinem Buch zur Postwachstumsökonomie.
Ethik und Ästhetik
Neue Ansätze in den Kulturwissenschaften gehen davon aus, dass sich die Ethik und Ästhetik wechselseitig bedingen und ergänzen. Die deutsche Philosophin Martha Nussbaum entwickelte drei Funktionen, welche die Ästhetik bezogen auf die Ethik erfüllt:
- Ohne Ästhetik wüsste der Mensch nicht, was an einer bestimmten Situation für ihn wichtig sein sollte und worum es sich in moralischer Hinsicht handelt.
- Durch Ästhetik lernt das Individuum die Anwendung von Regeln.
- Die Ästhetik ermöglicht es dem Menschen, neue Regeln zu formulieren oder sich einer Regelveränderung anzupassen.
Schon Friedrich Schiller erkannte den grundlegenden Zusammenhang von Ethik und Ästhetik. Schiller war der Ansicht, dass die Erziehung hin zur Wahrnehmung einer Kunst, „aus der Verbindung von Phantasie, des ‚Möglichen‘, und der Vernunft, ‚des Notwendigen‘, jenes ‚Ideal‘ des selbstbestimmten Menschen erzeugt, der in der Entfaltung seiner Anlagen und Fähigkeiten immer auch die Sache der Gesellschaft befördert; umgeben von solchen ‚Symbolen des Vortrefflichen‘ wird der Mensch allmählich erzogen, ‚bis der Schein die Wirklichkeit und die Kunst die Natur überwindet‘ und die Idee des Menschen Gestalt angenommen hat“.