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Kulturwissenschaften - Schrift und Differenz

Foto: © pixabay.com / awsloley

 

In diesem Teil von „Einblicke in die Kulturwissenschaften“ geht es um die Entwicklung der Schrift und die hieraus resultierende Differenz.

Sprache ermöglichte dem Menschen die Überlieferung von Erinnerungen und Wissen. Mithilfe eines Luftstroms, welcher von der Lunge durch den Mund oder die Nase wanderte, konnten Sprachlaute gebildet werden.

Durch das Schließen des Mundes oder der Verengung im Mundraum war es dem Menschen möglich, Konsonanten zu bilden. Die immer komplexer werdenden Lebensumstände ließen sich nicht mehr verbal kommunizieren und aus dem Gedächtnis heraus rekonstruieren. Der Mensch benötigte Symbole. Als erste Anfänge von Zeichen werden gemeinhin die Höhlenmalereien verstanden, welche eine kultische und religiöse Bedeutung innehatten. Der Prähistoriker Henri Breuil ist der Ansicht, dass diese Symbole für die eiszeitlichen Menschen ein Ausdrucksmittel zur Förderung der Fruchtbarkeit und des Jagderfolges waren.

Aus der Höhlenmalerei entwickelte sich die Schrift. Bei Schrift handelt es sich um ein künstliches menschliches Zeichensystem. Lange Zeit herrschte die Ansicht vor, dass die Schrift erstmals um 3500 v. Chr. in Mesopotamien verwendet wurde und zwar in Form von Warenlisten und Rechnungen auf Tontäfelchen. Harald Haarmann, ein finnischer Sprach- und Kulturwissenschafter, verweist auf archäologische Funde aus der jüngeren Zeit, welche zutage brachten, dass in der Donauzivilisation (heutiges Serbien) Schriftdokumente entdeckt wurden, welche auf 5300 v. Chr. datiert werden konnten. Dennoch: Nur, weil Schrift an einem Ort entdeckt wurde, bedeutet dies nicht, dass sie nur an diesem Ort auch entstanden ist. Schrift verbreitet sich, sie verändert und revolutioniert die Entwicklung des Menschen.

Vom Wort über die Silbe hin zum Buchstaben

Die Wissenschaft unterscheidet zwischen piktographischen, ideogrammatischen Schriften und Silbenschriften.

  • Die Bilderschrift (auch piktographische Schrift) verwendet für einen Gegenstand ein Zeichen. Es erforderte somit eine Unzahl von Zeichen, um die Wirklichkeit abzubilden.

Nachweisbar ist die Piktographie ab 3500 v. Chr. in der Kultur der Sumerer. Ab etwa 3200 v. Chr. nutzten die Ägypter Piktogramme als Vorläufer der Hieroglyphen.

  • Unter Ideographie wird eine Schriftform verstanden, bei der die Schriftzeichen keine abstrakten Zeichen, sondern stilisierte Bilder sind. Hierzu zählen Elemente der altägyptischen Hieroglyphenschrift.

Gegen Ende des vierten Jahrtausends vor Christus begannen die Sumerer, zunehmend ihre piktographische Schrift zu stilisieren und gelangten so zur Logographie. In der Logographie wurden einzelne Sprachausdrücke in Form von grafischen Zeichen ausgedrückt.

Um 2800 v. Chr. entwickelten die Ägypter eine phonetische Schrift. Es wurden Laute abgebildet „d.h., das Bildzeichen für ‚Haus’ (Lautwert: /pr/) steht stets für die Konsonantenkombination /pr/“, so der deutsche Germanist Hans Hiebel.

  • In der Silbenschrift steht ein Zeichen je für eine Silbe der Sprache.

Um das Jahr 2350 v. Chr. drang das semitische Volk der Akkader nach Sumer vor und übernahm die Herrschaft über die sumerischen Stadtstaaten. Eines der zentralen Elemente in der akkadischen Sprache war der Gebrauch der Keilschrift.

In der Keilschrift wurde der Zeichensatz vereinheitlicht und die Anzahl an Zeichen wurde durch Optimierung verringert. Die Schrift wurde der Sprache angepasst.

Mit der phönizischen Buchstabenschrift reichten 30 Zeichen, um die Wirklichkeit beschreiben zu können. Das lateinische Alphabet, welches im Verlauf des 7. Jahrhunderts vor Christus bis hinein in das 11. Jahrhundert nach Christus entwickelt wurde, ermöglicht es den Menschen heute, sich mit 26 Buchstaben auszutauschen. Die Sprache wurde durch das Alphabet objektiviert, normalisiert und standardisiert.

Differenzbildung - Kritik an der Schrift

Da bis zum 17. Jahrhundert die wenigsten Menschen lesen konnten, hatte das Buch mehr Zuhörer als Leser. Lesen war etwas Besonderes, welches nur die höheren Stände und Geistlichen erlernten. Das gemeine Volk war von dieser Bildung ausgeschlossen, somit mussten neue Gesetze, und dergleichen, dem Volk vorgelesen werden.

Einer der sehr frühen Kritiker an der Schrift war Sokrates. Er war der Auffassung, dass durch die Schrift das Wissen nicht kontrollierbar verbreitet werde. Mohammed kritisierte die Schrift im Koran, da, wie Sokrates, er der Meinung war, dass das göttliche Wort durch Schrift gefälscht werden konnte oder auch wurde.

Der französische Philosoph Jacques Derrida kritisiert, dass dem gesprochenen Wort heute mehr Bedeutung beigemessen wird, als dem Geschriebenen. Und für Derrida ist die gesprochene Sprache das Denken der Menschen. In den Augen von Derrida ist somit Sprache gleich Denken und Denken ist gleich Schrift.

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