Ein eiskalter Wind blies stetig durch die Gassen der Metropole London. Grau in Grau, fast schon unfreundlich wirkend, so präsentierte sich uns der heutige Tag. Doch das hielt uns nicht weiter ab, denn wir hatten unsere Pläne. Heute würden wir die Stadt über den Wasserweg erschließen.
Die Nacht war zwar keine gute gewesen, der Lärm des Hotels hatte uns lange wachgehalten, dennoch starteten wir bereits um sieben Uhr in den neuen Tag hinein.
Wir hatten vom Frühstücksraum aus einen guten Blick auf den Valentines Park und ließen uns das leichte Essen, also Toast mit Marmelade, gut schmecken, ehe wir uns aufmachten nach Greenwich zu fahren.
Die elektronische Fahrkarte „Oyster Card“ ist, gerade durch den Tageshöchstsatz, eine feine Sache, denn bereits die Busfahrt schlägt mit 1,50 £ (1,91 €) zu Buche. Anders als bei der U-Bahn oder dem Zug, bei welcher zu Beginn der Fahrt in der Station eingecheckt und am Ende wieder ausgecheckt wird, gilt es im Bus die Karte nur beim Betreten über das gelbe Lesegerät zu halten. Ist alles in Ordnung, springt die orange LED nach gut zwei Sekunden mit einem Piepsen um auf ein grünes Licht. Ist das Licht hingegen rot, heißt das: zurücktreten und an einem Automaten den Stand des Guthabens auf der Oyster Card zu überprüfen.
Auch wenn die Karte mit einem Guthaben aufgeladen ist, welches den Bedarf für die Reisedauer abdecken soll, kann die Fahrt in eine andere Zone den Tageshöchstsatz nach oben schrauben. Nachdem zum Beispiel unser Hotel in der Zone 4 lag, galt für uns nicht der Höchstsatz von 6,50 £ (8,27 €), sondern 9,30 £ (11,83 €), was bedeutete, dass wir mit den 40 £ (50,86 €) Guthaben nicht auskommen konnten und etwas nachladen mussten.
Wir nutzten den Bus, um zur Ilford Station zu gelangen. Von hier aus fuhr der Zug direkt nach Stratford, wo wir Richtung Lewisham umstiegen.
Es herrschte ein reges Treiben und in der Garnitur des Betreibers DLR (Docklands Light Railway) wurde es langsam eng. Die Menschen begannen sich an den Haltegriffen zu reihen. Es verging noch einige Zeit, bis sich die Bahn in Bewegung setzte. Ging es anfangs noch oberhalb der Blockbauten von Stratford entlang, tauchte die Bahn bald schon in regelrechte Häuserschluchten ein. Die Glaskomplexe ragten in den wolkenverhangenen Himmel hinauf. Dazwischen schlängelten sich kleine Flüsse entlang. Es war ein bizarrer Anblick, als wir neben einer der Brücken eine weiße Jacht, welche seitlich neben einem großen Hebekran festgezurrt worden war, erblicken konnten.
Mit jeder der Stationen wurde die Garnitur leerer, sodass wir uns letztlich auf einen der hinteren Sitzplätze niederlassen konnten, von wo aus wir einen perfekten Blick durch die Heckscheibe genossen.
An der Station Island Gardens erhaschten wir einen letzten Blick zurück auf die Hochhäuser des Canary Wharf, bevor es durch den Tunnel auf die andere Seite der Themse ging.
Von der Station Cutty Sark for Maritime Greenwich waren es nur wenige Minuten zu Fuß, um an die Docks zu gelangen. Dem riesigen Schiff in der Mitte des King William Walk schenkten wir anfangs genauso wenig Beachtung wie dem kreisrunden Gebäude am linken äußeren Rand des Platzes. Alles, was uns interessierte, war eine Fahrkarte für die City Cruises zu erhalten. Dies war in unserem London Pass kostenfrei inkludiert und wir sahen es als guten Anfang unserer London Reise, die Metropole von der Themse aus zu erkunden.
Während wir an dem Ticketschalter einer anderen Schifffahrtslinie standen, wurde uns bewusst, dass wir deutlich zu früh dran waren. Auch wenn die Uhren bereits neun geschlagen hatten, machten die meisten Attraktionen, darunter auch unsere Schifffahrt, erst um zehn Uhr auf. Das war noch gut eine Stunde hin. Was sollten wir jetzt machen? Sollten wir die Flusstour abblasen und einfach so in die Stadt fahren oder sollten wir in einem Restaurant die Zeit absitzen? Nun, wir entschieden uns für Zweiteres, denn wir sahen es als das kleinere Übel an, hier im Warmen zu warten, als bei Eiseskälte planlos durch die Stadt zu irren.
Während wir also nun die Zeit damit verbrachten, in einem warmen Restaurant zu sitzen, sahen wir uns die Unterlagen, welche wir mit dem London Pass erhalten hatten, noch einmal näher an. So kam es dann auch, dass wir unseren Blick auf das gewaltige Schiff am Platz vor dem Greenwich Pier legten und uns dazu entschlossen, dieses einmal näher anzusehen.
Das Schiff, die Cutty Sark, ein Klipper, welcher hauptsächlich dazu verwendet wurde, um Tee und Wolle aus allen Ländern der Welt nach Großbritannien zu transportieren, war auf ein spezielles Trockendock aufgebockt worden und schien auf der umgebenden Glasfläche zu schwimmen.
Das Museumsschiff war in einem originalgetreuen Zustand und hielt im Inneren allerlei Informationen für den Besucher bereit. Angefangen von ihrem Erbauungsjahr 1869, segelte das über 85 Meter lange Schiff zu Beginn für den Teehandel auf der Route nach Asien. Mit dem Bau des Suezkanals und dem Aufkommen der Dampfschiffe änderte sich die Fracht der Cutty Sark, fortan wurde sie für den Transport von Wolle aus Australien eingesetzt, doch auch für diese Route wurde sie zunehmend unprofitabler. Nach verschiedensten Besitzern und Einsatzzwecken kam die Cutty Sark letztlich im Jahre 1938 als Geschenk an das Thames Nautical Training College in Greenhithe, von wo es viele Jahre später seine letzte Reise antrat, um seinen ewigen Platz am Pier von Greenwich einzunehmen.
Ebenfalls am Pier von Greenwich befindet sich das rote, kreisrunde Backsteingebäude mit dem ebenso runden Glasdach, welches den Zugang zum 370 Meter langen Fußgängertunnel markiert, der auf die andere Seite des Flusses führt und 24 Stunden am Tag kostenfrei begehbar ist.
Im Anschluss an die Besichtigung der Cutty Sark fuhren wir mit einem Ausflugsboot die Themse flussaufwärts. Wir bekamen zahllose interessante Gebäude zu Gesicht und einige Informationen zu Ohren. Nach gut eineinhalb Stunden Fahrt verließen wir das Boot am Westminster Pier.
Zu Fuß spazierten wir durch die Stadt. Unser Blick lag gespannt auf dem Palace of Westminster, dem im neugotischen Stil errichteten Sitz des britischen Parlaments. Auch wenn wir uns vorgenommen hatten, die Westminster Abbey, das ist die Krönungskirche der in England Herrschenden, zu besichtigen, so entschlossen wir uns dies an einen anderen Tag zu machen. Unsere Mägen meldeten sich mit leisem Knurren, sodass wir nun vorrangig etwas zum Essen suchten. Da viele Läden keine Kreditkarte akzeptierten und ich mich weigerte, Geld abzuheben, spazierten wir nun durch die Stadt auf der Suche nach etwas Essbarem. Letztlich fanden wir eine kleine Einkaufsmeile. Wir setzten uns in einen der Läden, bestellten uns einen Cheeseburger, der für zwei Personen gereicht hätte, und beobachteten das bunte Treiben. Der Strutton Ground Market war eine zu Mittag gut besuchte Einkaufsstraße südlich der Victoria Street.
Gesättigt und gestärkt wanderten wir nach Norden zum Buckingham Palace. So prachtvoll der Palast auf den Fernsehbildern auch wirkte, so unspektakulär war er doch in Natura. Ein unscheinbarer, aber gut bewachter Betonklotz. Die berühmten Wachen vor dem Palast der Königin präsentierten sich in einem zum Wetter passenden Grau. Wir verbrachten hier nur wenige Augenblicke, ehe es uns weiterzog, hin zur Queen's Gallery. Einer Kunstgalerie, in welcher Werke des englischen Königshauses ausgestellt waren. Ein Audioguide, den wir nach dem Betreten erhalten hatten, gab uns allerlei Hintergrundwissen zu ausgewählten Gemälden wieder.
Mehr durch Zufall, denn durch Absicht, gab es während unseres Aufenthaltes einen Vortrag einer Bediensteten zu einem Bild. Auf diesem Gemälde: das Anwesen der Königin im Norden von England. Das waren unzählige Hektar an Land, welche sie als Geschenk von ihrem Mann erhalten hatte, nachdem ihr die Landschaft bei einem Besuch so gut gefallen hatte.
Auf unserem Spaziergang durch den Park vor dem Palast wurden wir wieder in die Realität Londons zurückgeholt. All der Prunk und Reichtum konzentriert sich nur auf die wenigen Wenigen, die von der Sonne beschienen werden.
Nachdem sich der Tag langsam dem Ende zuneigte, machten wir uns auf den Weg zurück zu unserem Hotel. Für den Besuch bei den königlichen Pferden und Kutschen (Royal Mews) war es leider schon zu spät, denn die meisten Touristenattraktionen in London schließen ihre Pforten bereits um 16 Uhr.
Wir kosteten unser 24-Stunden-Ticket für die Flussfähre noch einmal voll aus und nahmen das Boot bis zum Tower Pier. Weiter kamen wir dann jedoch nicht, denn es gab keine Bootsverbindung mehr nach Greenwich. So stiegen wir also in die U-Bahn um und fuhren bis Gants Hill, von wo uns ein Bus Richtung Ilford zum Hotel zurückbrachte.