Heute ging es in die Stadt, um den Tower of London, die Tower Bridge und die HMS Belfast zu besichtigen. Letzteres ist ein britisches Kriegsschiff aus dem vorigen Jahrhundert, welches auf der Themse verankert wurde und, dank eines weitestgehend originalgetreuen Zustands, zur Besichtigung freigegeben ist.
Nach einem leichten Frühstück ging es hinein in die Metropole London. Da auch heute die Zugverbindung gestört war, hieß das wieder einmal nach Norden und mit der Central Line bis zur Liverpool Street. Dass die Londoner U-Bahn in zwei verschiedenen Profilen gebaut wurde, fiel uns besonders an der Circle Line ins Auge. Während das klassische Röhrenprofil aus kleinen, runden Zuggarnituren besteht und ausschlaggebend für den Namen „Tube“ (dt. Röhre) ist, gleicht das Großprofil eher einem herkömmlichen Zug.
Zurückzuführen ist diese Diskrepanz auf das 19. Jahrhundert. Die Straßen der aufstrebenden Metropole waren wegen der Vielzahl an einpendelnden Arbeitskräften heillos überfüllt und ein Ausweg schien im Bau einer Untergrundbahn zu liegen. 1863 fuhren die ersten dampfbetriebenen Passagier- und Güterzüge auf teiluntertunnelten Abschnitten durch die Stadt. Dank fortgeschrittener Technik konnten die Tunnel letztlich weiter unter der Erde gebaut werden, wodurch sich auch der Durchmesser der Röhren verkleinerte.
Der Tower of London, eines der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten im Vereinigten Königreich, ist ein Gebäudekomplex, der verschiedenste Einsatzzwecke innehielt. Er diente Königen als Residenz, war deren Waffenkammer, beherbergte ein Observatorium und eine Münzprägungsanstalt. Aber vor allem war er Hinrichtungsstätte und Gefängnis. Heute dient das Weltkulturerbe als Museum und Aufbewahrungsstätte für die britischen Kronjuwelen sowie einer umfangreichen Sammlung von Waffen und Rüstungen.
Kaum dass wir den Tower durch das Haupttor betreten hatten, begann ein Mitglied des Ordnungstrupps („Yeoman Warder“) Geschichten über die Festung zu erzählen. Wilhelm der Eroberer ließ 1078 auf einem Hügel an den Ufern der Themse eine Burg errichten. Sein Sohn ersetzte das Holzkonstrukt durch ein Steingebäude, den White Tower. In diesem zentral angeordneten Festungsgebäude befinden sich neben den Rüstungssets der Könige und eine Vielzahl an Waffen auch eine kleine Kapelle.
Über die Jahre wurde der Tower um mehrere Gebäude erweitert. Die Mauern wurden verstärkt und durch kleinere Wachtürme ergänzt. Den Namen „Tower of London“ erhielt die Festung durch Heinrich den III., der diese mit Wohngebäuden ausstattete und zur Residenz aufwertete.
Im 10. Jahrhundert wurde der Tower dazu benutzt, politische Gefangene festzuhalten oder hinzurichten. Dazu zählten vorwiegend wichtige Figuren aus dem Adel und der Kirche, die in Ungnade gefallen oder des Verrates bezichtigt wurden.
Unter Heinrich dem VIII. erlebte die Festung ihre schwärzeste Epoche. Er brach mit der römisch-katholischen Kirche und ließ all diejenigen hinrichten, die sich weigerten, ihn als Oberhaupt der Kirche von England anzuerkennen. Als Heinrichs zweite Frau keinen Sohn gebar, wurde sie gleichsam seiner fünften Frau enthauptet.
Trotz der menschenunwürdigen Zustände gelang es einzelnen Gefangenen erfolgreich auszubrechen. Auf unserem Rundgang stolperten wir zufällig in eine Live-Aufführung, in der die Flucht von Roger Mortimer nachgespielt wurde. Mortimer, ein einflussreicher Adeliger aus Irland, schloss sich 1321 einer Revolte gegen den König Eduard II. an, um seinen Herrschaftsanspruch zu stärken. Der Aufstand scheiterte, und Roger Mortimer verbrachte zwei Jahre seines Lebens als Gefangener im Tower of London.
Die Flucht nach Frankreich gelang ihm durch einen raffinierten Schachzug: Er machte die Wache betrunken, zog sich die Kleider einer Frau an und konnte so ungehindert die Festung verlassen.
Nach einer ausführlichen Besichtigung taten wir es Mortimer gleich und verließen die Festungsanlage auf direktem Wege. Unser nächstes Ziel: Die Tower Bridge.
Über geschätzte 200 Stiegen gelangten wir hoch auf die zwei Aussichtsarme, von wo wir einen grandiosen Weitblick über die Metropole London genießen konnten. Und durch den Glasfußboden auch auf den darunter hinwegfahrenden Verkehr.
Neben der tollen Aussicht lockte auch ein wenig Geschichte und Hintergrundwissen. 1876: Der zunehmende Verkehr machte den Bau einer neuen Brückenverbindung notwendig. Doch bei weitem nicht alle Londoner waren von einer weiteren Überquerungsmöglichkeit überzeugt. Die Einwohner am östlichen Ufer der Themse forderten schon seit Jahren zur Entlastung der völlig überfüllten London Bridge eine flussaufwärts gelegene Brücke. Für die Kaufleute und Eigner der Klipper hingegen stellte eine Brücke ein ernstzunehmendes Hindernis dar, denn diese könnte eine Zufahrt zu den Werften und dem Londoner Hafen unmöglich machen.
Letztlich einigten sich die Verantwortlichen darauf, eine Klappbrücke im viktorianisch-gotischen Design zu errichten. Vom Baubeginn 1886 an dauerte es noch einmal acht Jahre, bis diese feierlich vom Prince of Wales eingeweiht werden konnte.
Am Bau beteiligt waren fünf Unternehmen und über 400 Arbeitskräfte, die rund 11.000 Tonnen Stahl für die 265 Meter lange Brücke verbauten.
Teile der Tower Bridge wurden durch die Kriegseinwirkungen des Zweiten Weltkrieges beschädigt, und im Zuge von Instandhaltungsarbeiten kam es 1974 zu einem Austausch des Hebemechanismus, welches auf ein elektrohydraulisches System umgestellt wurde.
Im Jahr 1952 kam es zu einem ganz besonderen Zwischenfall: Albert Gunton war mit seinem Bus, der Linie 78, auf dem Weg über die Brücke, als just in diesem Moment ein Wärter den Liftmechanismus betätigte. Albert reagierte geistesgegenwärtig und beschleunigte seinen Doppeldeckerbus, um über den zwei Meter breiten Spalt hinwegzuspringen. Für seine mutige Tat wurde Albert später von seinem Arbeitgeber mit 10 £ belohnt.
Seitdem ist ein umfassender Schutz installiert worden, damit so ein Vorfall nicht mehr vorkommen kann.
Auch wenn die Brücke jährlich rund 1000 Mal geöffnet wird, so ist es gemessen an den Tagen, die zwischen dem Aufklappen liegen, doch ein sehr seltenes Erlebnis. Gut und gerne liegen schon einmal 14 Tage dazwischen. Und so kam es dann auch, dass wir, ohne jegliche Vorahnung, von Fortuna geküsst wurden.
Ein Angestellter erklärte den Anwesenden plötzlich, dass ein Schiff auf dem Weg zur Brücke sei und diese in Kürze hochgeklappt werden würde. Wir sollten uns alle um den Glasboden setzen. Anfangs erklärte uns der Herr mit seinem Mikrofon einige Details zur Brücke und die Geschichte von Albert. Dann auf einmal ging alles ganz schnell: Der Verkehr wurde gestoppt, Sperrgitter und Schranken blockierten das Weitergehen der Fußgänger. Die Brücke wurde geräumt, und dann plötzlich fuhren die Baskülen hoch. Das Schiff kam näher. Der Blick lag gespannt auf der einmaligen Szenerie, die sich bot. Ein weißes Schiff, mit seiner roten Verzierung, fuhr unter uns vorüber. Und dann keinen Atemzug später senkte sich die Klappbrücke wieder.
Der Angestellte erzählte uns etwas von einem Wettrennen und einem Wettbewerb, welcher bei der Freigabe des Verkehrs herrschte. Die Seite, die ihre Pforten früher öffnete, gewann. Und tatsächlich: Der erste Radfahrer auf der anderen Seite streckte seine beiden Hände triumphierend in die Luft.
Wir blieben noch einige Zeit sitzen und beobachteten die Menschen, den Verkehr und die dahinfließende Themse, bevor wir uns aufmachten, unser letztes Ziel für heute zu besichtigen: Die HMS Belfast.
Mittels Audioguide erkundeten wir das Innere des leichten Kreuzers.
Nach vielen Stiegen auf und ab verließen wir das Schiff. Auf der Suche nach einem Geschäft, in dem wir etwas zu essen bekommen konnten, schlenderten wir durch die Stadt. Letztlich fuhren wir zur Liverpool Street und holten uns dort etwas.
Weil wir gerne mit der Emirates Air Line, das ist eine Seilbahn über die Themse, gefahren wären, überprüften wir in Gants Hill das Guthaben auf unserer Oyster-Card. Zu unserem Entsetzen mussten wir feststellen, dass jeweils nur noch 2,80 £ (3,55 €) auf unserer Karte waren.
Das war zwar noch genug, um ins Hotel zu fahren, aber spätestens in der Früh hätten wir unser blaues Wunder erlebt, denn eine Einzelfahrt mit einem Bus kostet bereits 1,50 £ (1,90 €). So etwas wie eine Barzahlung gibt es in London nicht. In London läuft grundsätzlich alles über die Karte ab. Somit waren wir notgedrungen dazu angehalten, unsere Oyster-Card mit jeweils 15 £ (19,03 €) extra zu beladen. Bezahlt direkt am Ticket-Terminal und mit Kreditkarte, waren wir nun gut gerüstet für den nächsten Tag.