Eine Stadt, die zwischen Normalität und Ausnahmezustand schwankt.
An meinem ersten Tag in Christchurch lernte ich genau zwei Dinge:
1) In der Stadt ist ganz schön was los, vor allem bei Einkaufszentren und Hauptverkehrswegen.
2) Was auf der Karte so aussieht, als wäre es nur mal eben 10 Minuten entfernt, ist in Wirklichkeit mindestens 45 Minuten weit weg.
So bin ich an meinem ersten Tag, an dem ich das nicht wusste, weil ich mein Auto ummelden und die Mitgliedschaft beim AA (New Zealand Automobile Association) beantragen musste, über 3 Stunden zu Fuß gegangen. Es ist alles sehr weitflächig. Mein Rat: Entweder mit dem Auto oder mit dem Bus zum vermeintlich nahen Ziel fahren.
Dass die Innenstadt gesperrt ist, merkt man der lebendigen Stadt überhaupt nicht an. Nur wenn man dann hinaus zum Strand oder eben hinein in die Innenstadt fahren möchte, merkt man schnell: Hier ist etwas passiert. Überall Baustellen und Umleitungen. Hinein in die Innenstadt muss man spätestens bei der Absperrung stehen bleiben, die einen deutlich darauf hinweist, dass dahinter eine sehr gefährliche Zone beginnt. Das Erdbeben vom Februar, mit einer Stärke von 6,3 auf der Richterskala, hat Teile der Stadt schwer getroffen und fast 200 Todesopfer gefordert.
Besonderes Augenmerk sollte man, solange das Stadtzentrum abgesperrt ist, auf den Stadtpark und den Strand legen.
Der Stadtpark ist ein großer Garten. Neben einem auf der Westküste typischen Urwald kann man auch Mammutbäume bestaunen. Da durch den Park ein Fluss fließt und es einige Teiche gibt, lässt sich hier sehr gut ausspannen und zu neuer Kraft zurückfinden.
Direkt zum Park hin finden sich einige interessante, aber leider schwer beschädigte Gebäude. Die Gleise der Straßenbahn, die am Stadtpark vorbei in das Zentrum führen, sind einsame Zeugen, dass es in diesem Teil der Stadt ganz ruhig geworden ist, während anderswo das Leben pulsiert.
Am Strand
Erfreulicher, aber auch ehrfurchtgebietender, ist der Strand von Christchurch. Hinter den hohen Wällen, an die sich Gräser schmiegen, liegt kaum hörbar der tobende pazifische Ozean.
Der Sandstrand reicht in den Süden soweit das Auge blicken kann. Im Norden läuft ein langer Steig in das Meer hinaus. Der New Brighton Pier. Als Erholungsort im traditionellen britischen Baustil errichtet, wurde der Holzpier 1999 durch einen Betonsteg ersetzt, der auch heute noch Wind und Wellen standhält.
Am Eingang zum Pier liegt die öffentliche Bibliothek und ihr markanter Glockenturm. Der pensionierte Baumeister Richard Green, berühmt für seine Geschichten über Christchurch, schenkte den Bürgern der Stadt eben diesen Glockenturm. Es gab wilde Gerüchte und Spekulationen darüber, ob Green sich mit seiner Familie zerstritten hätte und nun mit dem Bau des Glockenturms und anderer Bauwerke all seinen Reichtum verprassen wollte, damit nichts mehr übrig bleiben würde für seine Erben. Tatsächlich war der Glockenturm als Erinnerung an seinen Vater gedacht, der als englischer Pionier am 04. August 1859 Christchurch erreichte und maßgeblich an der Einführung der Telegrafie in Neuseeland beteiligt war.
Wenn der Blick wieder zurück in den Süden wandert, so mag das Auge am Ende des langen Strandes schon auf die Banks Peninsula, die Halbinsel von Christchurch, blicken. An der Oberkante dieser bis zu 120 Meter steilen Klippen wurden Häuser errichtet. Ein imposanter Blick, aber sicher nicht so imposant wie von den Klippen hinab auf Christchurch zu blicken oder mit der berühmten Bergbahn nahe Lyttelton in die Höhe zu schweben. Dieser Teil mag zwar von der Halbinsel abgeschnitten sein, ist jedoch geologisch mit der Halbinsel verbunden und fast genauso interessant.
Am Godley Head, dem Kap dieser Landzunge, schützten während des zweiten Weltkriegs große Verteidigungsanlagen die strategisch wichtige Hafenzufahrt nach Lyttelton.
Lyttelton
Im Süden von Christchurch, knapp 20 Minuten vom Stadtzentrum entfernt und nur durch einen Tunnel erreichbar, versteckt sich die Hafenstadt Lyttelton. Umringt von malerisch anmutenden Bergen liegt die Stadt in einem Bergkessel, der nur nach Osten hin offen ist. Die anderen Seiten werden von der Halbinsel eingenommen. In der Mitte liegt das Meer. Gewaltige Schiffe stehen hier um beladen oder entladen zu werden. Jede Minute verlässt ein LKW die Stadt oder befährt diese wieder.
Banks Peninsula
Nimmt man Abstand von dem Tal bestimmenden Hafen, geht der Blick gleich wie auf der Halbinsel auf die Berge. Sie sind so malerisch schön, vor allem wenn sich abends und in der Früh der Nebel an deren Spitzen in das Tal zu schieben beginnt. Die Banks-Halbinsel war einst übersät mit einer Vielzahl an aktiven Vulkanen, doch Jahrtausende der Erosion formten eine einzigartige Landschaft. Die Maori, das sind die Ureinwohner Neuseelands, kamen vor über 1000 Jahren aus ihrer Heimat Polynesien auf die beiden Inseln. Als der berühmte Seefahrer James Cook am 16. Februar 1770 den Hafen um das heutige Akaroa erkundete, dachte er noch, die Banks seien eine Insel. Der Maori-Stamm der Ngāi Tahu hingegen kannte und besiedelte die Halbinsel bereits seit langem.
Auf der Banks Peninsula gilt es vor allem die Stadt Akaroa zu nennen, in deren Nähe eine sehenswerte Kirche der Maori steht. Eine kleine verschlafene Stadt, die in einem wundervoll schönen Tal liegt. Die Vögel, die dort zwitschern, sind so einzigartig, wie die Landschaft selbst.
In den 1830er Jahren wurde die Banks-Halbinsel zu einem europäischen Walfangzentrum. Damals am 02. August 1838 kaufte Jean François L'Anglois, der französische Kommandant eines Walfangschiffes, im Tauschhandel für Waren die gesamte Halbinsel von den Maori. So zumindest dachte er. L'Anglois kehrte nach Frankreich zurück, mit dem Gedanken, hier auf den Banks eine französische Kolonie zu gründen. In der Zwischenzeit jedoch landeten die Engländer unter William Hobson auf der Banks-Halbinsel und erwarben sämtliche Ländereien. Nur sechs Tage bevor die Franzosen im Hafen einliefen, hissten die Engländer in Akaroa die britische Flagge. Dennoch entschlossen sich die französischen Pioniere, hier zu bleiben und unter der britischen Oberhoheit eine Siedlung zu gründen. So entstand die erste Siedlung bestehend aus 63 Franzosen und sechs Deutschen und wurde Akaroa getauft.
Heute besticht diese beschauliche Stadt mit ihren französischen Namen und den historischen Häusern.