Neuseeland

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Vom Aoraki bis ans Meer

 

Ich stehe an den Ufern des Pukaki Sees. Mein Campervan liegt direkt hinter mir. Ich lasse meinen Blick lässig über die spiegelglatte, hellblaue Oberfläche des Sees streifen. Mein Blick findet an den steilen Hängen eines Berges seinen Halt. Wie ein unbezwingbarer Riese steht er da; er thront über allen anderen Bergen.
Ein eisiger Windhauch schlägt mir gegen mein Gesicht und mahnt mich, seine Macht nicht zu unterschätzen. Der Mount Cook oder wie ihn die Maori nennen: Aoraki. Seinen europäischen Namen trägt der Berg zu Ehren des Seefahrers James Cook, der als erster Europäer Neuseeland umrundet und kartografiert hat.

Seit heute weiß ich: Es liegt noch mehr vor den Füßen dieses Berges als schroffe, schneebedeckte Felswände. Es liegt dort eine unvergleichliche Landschaft, die eine lange Geschichte zu erzählen hat.
Ich kann mir nur denken, was die mit trockenen Gräsern und kleinen Büschen überwucherten Ebenen oder was die grünen Teiche, umringt von Dornenpflanzen, zu erzählen haben. Es ist sicherlich eine raue Geschichte. Eine mit schweren Stürmen, vielen Dürren und gewaltiger Bewegung.

Aoraki/Mount Cook National Park

Im Herzen der neuseeländischen Alpen liegt der im Oktober 1953 offiziell gegründete Nationalpark. Bereits im 19. Jahrhundert gab es hier ein Reservat zum Schutz der Vegetation und Landschaft. Für die Maori ist dieses Gebiet heilig. Die Geschichte hierzu ist eine kurze, aber für die Maori sehr bedeutsame: So erzählt eine Legende des Maori-Stammes Ngāi Tahu davon, dass die Kinder des Himmelsvaters Rakinui mit einem Kanu zur Erde hinabreisten, um ihre Stiefmutter, die Erdenmutter Papatūānuku, zu besuchen. Doch der junge Aoraki und dessen drei Brüder kenterten mit ihrem Kanu an einem Riff. Und als sich die Brüder aus dem Kanu retten wollten, da verwandelte sie der eiskalte Südwind in Stein. Ihr Kanu wurde zur Südinsel (Te Waka o Aoraki) und die Brüder zu den Gipfeln der Neuseeländischen Alpen (Kā Tiritiri o te Moana).

Der Anblick dessen, was der Tasman-Gletscher geschaffen hat, lässt mich mein Haupt in Ehrfurcht senken. Steine, so groß wie Autos, liegen ineinander verkeilt auf der Spitze von hundert Meter hohen Steinwällen. Ganz in der Ferne kann ich die von Schlamm und Dreck übersäte Abrisskante erkennen. Viel ist vom Gletscher nicht mehr übrig und jährlich verschwinden weitere 0,5 % der ehemaligen Fläche. So sind heute laut der Informationstafel mit der bezeichnenden Aufschrift „Where‘s the Glacier?“ von den einst 85 Kilometern Länge nur noch 25 Kilometer übrig. Leider sind mir selbst die 25 Kilometer Länge aufgrund des schlechten Wetters verborgen geblieben. Nur der mit 3724 Metern höchste Berg auf Neuseeland, der Mount Cook (Aoraki), zeigte sich mir kurz.

 

Fahrt ans Meer

Fernab von all dieser Urgewalt hat die Natur einen sanfteren Ton eingeschlagen. Ganz ruhig lag der See Tekapo vor mir. Die Sonne ging in einem hellroten, fast schon rosa, langsam auf. Die Berge spiegelten sich im hellblauen See wider. Am Ufer lagen Steinskulpturen und dahinter eine kleine aus Steinen erbaute Kapelle. Es war ganz ruhig, nur das Zwitschern der Vögel war zu hören.

Nur eine einzige Sache ließ mich erstarren; ließ mich wissen, dass hier ganz eigene Regeln gelten: Es war die eisige Kälte.
Je weiter man jedoch von den Bergen Richtung Meer fährt, umso weniger Macht geht von den gebieterischen Bergen aus. Der Fluss Waitaki ist zu Beginn seiner Reise eiskalt. Er fließt entlang malerisch anmutender Berge und einigen Wasserkraftwerken. Bei Wharekuri enden die Seen, welche für die Stromgewinnung aufgestaut worden sind, und der Waitaki River folgt wieder seinem natürlichen Lauf.
12 Kilometer südöstlich von Wharekuri liegt die beschauliche Ortschaft Kurow.

Ist man einmal in der Ortschaft Kurow, ist es nicht mehr weit bis zum Meer. Zu einer kurzen Pause lädt vor allem der im Osten gelegene Nebenfluss Hakataramea ein. Von der Abzweigung am Hakataramea Highway auf die Mchenrys Road sind es in etwa eineinhalb Kilometer. Auf einer gut erhaltenen Schotterstraße kommt man zu einem kleinen Parkplatz. Ganz ruhig und friedvoll fließt hier der kleine Fluss stetig an einem vorüber. Es ist hier fast nichts los, also genau richtig, um wieder zu neuer Kraft zu finden.

Der Morgen an dieser Stelle war sehr atemberaubend. Der durch die aufgehende Sonne rot leuchtende Himmel begann regelrecht zu brennen. Da es mir in dieser abgelegenen Stille sehr gut gefallen hatte und ich diese Nacht auch friedvoll geschlafen hatte, packte ich etwas widerwillig meine Sachen zusammen und machte mich und mein Fahrzeug bereit für die Weiterfahrt.

Auf meinem Weg zum Meer bereitete mir die Sonne selbst und ihre Strahlen, welche sie auf die letzten Bergketten vor der großen Tiefebene warf, große Freude. Die Sonne legte einen goldgelben Schleier auf die kargen Berghänge. Die Tiefebene selbst ist übersät von landwirtschaftlicher Nutzfläche, welche den Waitaki River und sein breites Flussbett umringen.

Auf halber Höhe zur Mündung des Waitaki Rivers liegt die kleine Ortschaft Duntroon. Das Besondere an diesem an sich so unscheinbaren Fleckchen ist der „Vanished World Trail“ und das im Ort liegende Museum. Hier wurden Fossilien von Meerestieren gefunden, denn einst lag diese ganze Gegend hier unter Wasser.

Fährt man weiter, werden die Berge immer kleiner und enden letztlich in einer fruchtbaren Tiefebene, die sich fast über den ganzen Osten der Südinsel erstreckt. Der Fluss Waitaki liegt an seiner breiten Mündung in den Pazifischen Ozean bereits so weit weg von den Bergen, dass man in ihm baden kann. Am Rastplatz bei der Waitaki Bridge, welche das zentrale Verbindungsglied zwischen der im Nordosten liegenden Stadt Christchurch und der Stadt Dunedin bildet, kann man das Meer schon riechen und auf der Zunge schmecken. Von hier sind es nur noch knapp 4 Kilometer Luftlinie bis zum Ozean. Zugleich bildet die Waitaki Bridge auch die Grenze zwischen der Region Canterbury, die fast bis hinauf an die Cookstraße reicht (das ist jene Meerenge, welche die Nord- und Südinsel voneinander trennt), und der Goldgräberregion Otago.

Oamaru

Der Name Oamaru stammt aus der Maori-Sprache und meint so viel wie „Platz des Maru“. Es ist leider unklar, wer Maru war, vermutlich war er ein Held des Maori-Stammes Ngāi Tahu oder ein Kriegsgott.

Als die ersten Siedler aus Europa hier einen Ort errichteten, gab es noch keinen Hafen. Schiffe mussten auf offener See ankern und die Fracht auf kleinere Boote umladen, was eine knochenharte und sehr zeitaufwändige Arbeit war. Die Boote wurden dann mit Kabeln durch die hohen Wellen hindurch an Land gezogen. Das war nur bei ruhigem Wetter gefahrlos möglich. Viele Schiffe sanken vor der Küste von Oamaru und auch heute noch gilt dieser Ort als einer der gefährlichsten Ankerplätze Neuseelands.

Das auffälligste Merkmal der 13.000 Einwohner zählenden Stadt sind die cremefarbenen Gebäude, die aus den lokalen Kalksteinvorkommen errichtet wurden. In den 1880er Jahren blühte die Stadt aufgrund des Exportgeschäfts mit Gefrierfleisch auf. Zahllose, prächtig weiß strahlende Gebäude zieren das historische Zentrum der Stadt.

Der hohe Erhalt von Gebäuden und Relikten der viktorianischen Zeit macht die Stadt einzigartig. Ebenso einzigartig ist der versteckte Strand südlich von Oamaru, der sehr zum Baden einlädt. Von einer Erhöhung aus kann man hinunter auf den Strand blicken und an einigen Stellen ist es möglich, hinunter an den Kiesstrand zu steigen.


Nachts schlagen die wütenden Wellen scheinbar bis fast an die Kante der fünfzehn Meter hohen Erhebung. Es ist ein mulmiges Gefühl, so nah am Abgrund zu stehen, denn es gibt keine Absperrungen, die einen halten würden. Das dumpfe Grollen der Wellen in ihrer Monotonie macht müde und trägt die Gedanken davon …

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